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Pflegegrad finden
Mit der steigenden Lebenserwartung wächst auch die Zahl der Menschen, die auf Unterstützung und Pflege angewiesen sind.
Pflegebedürftigkeit kann jedoch in jedem Alter auftreten und stellt Betroffene sowie ihre Angehörigen vor vielfältige Herausforderungen. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglicht im Bedarfsfall schnell und angemessen agieren zu können.
Wir klären deshalb alle wichtige Fragen rund um das Thema und geben praktische Tipps und Hinweise.
Pflegebedürftigkeit wird in §14 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (1) allgemeingültig definiert. Sie liegt immer dann vor, wenn Personen aufgrund von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten auf Hilfe angewiesen sind.
Das ist dann der Fall, wenn eine Krankheit, Behinderung oder Alterserscheinungen Betroffene derart einschränken, dass sie für alltägliche Tätigkeiten dauerhaft die Unterstützung anderer benötigen.
Die Frage wie gravierend diese Einschränkungen sind, wird vom Medizinischen Dienst (MD) mit Hilfe eines Pflegegutachtens festgestellt, wollen Pflegebedürftige Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen.
In diesem Gutachten wird anhand unterschiedlicher und gesetzlicher definierter Kriterien ein Pflegegrad vergeben, der den Grad der Beeinträchtigungen zu bemessen versucht.
Pflegebedürftigkeit ist nicht allein eine Alterserscheinung! Chronische Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden oder neurologische Erkrankungen können gleichsam die Autonomie stark beeinträchtigen.
Aber auch psychische Leiden wirken sich immens auf den Alltag und das Aufrechterhalten sozialer Kontakte aus. Depressionen bei Kindern und Jugendlichen ist dabei keine Seltenheit. Und nicht immer ist Bedürftigkeit ein schleichender Prozess.
Verletzungen durch Unfälle können plötzlich dazu führen, dass die gewohnte Selbständigkeit nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.
Mögen die Ursachen also vielgestaltig sein, für die Einstufung in einen Pflegegrad spielen sie keine Rolle. In Paragraf 15 SGB XI (2) wird nicht die Kausalität bemessen, sondern der Grad und Umfang der Auswirkungen etwaiger Beeinträchtigungen.
Erste Hinweise auf einen Pflegefall können sein:
Sollten Sie erste Anzeichen für Pflegebedürftigkeit feststellen, ist es Ratsam das Hilfsangebot verschiedener Beratungsstellen und Träger zu nutzen.
Dort erhalten Sie eine umfassende Beratung zum Thema Pflege. Auf welche Hilfsangebote Sie zurückgreifen können, sehen wir uns nachfolgend an.
Pflegestützpunkte oder auch Pflegeberatungsstellen wurden von den Kranken- und Pflegekassen eingerichtet, um Hilfesuchenden Beratung und Unterstützung zu bieten. Betroffene und Angehörige erhalten vor Ort unabhängige und kostenfreie Beratung, aber auch telefonisch oder bei Ihnen zu Hause.
Dort finden sie ebenfalls die Pflegeberaterinnen und Pflegeberater der Pflegekassen.
Aufgaben der Pflegestützpunkte sind u.a.:
In der Datenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) finden sich alle gelisteten Pflegestützpunkte/Pflegeberatungsstellen: Übersicht über Pflegestützpunkte in Deutschland (2).
Weitere unabhängige Beratungsstellen sind:
Um nun Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können, muss die Pflegebedürftigkeit offiziell festgestellt werden.
Das bedeutet, Sie müssen einen Antrag bei Ihrer Pflegekasse stellen. Nach Antragstellung beauftragt die Pflegekasse bei gesetzlich Versicherten den Medizinischen Dienst (MD) mit der Begutachtung. Bei privat Versicherten findet die Prüfung durch die private Pflege-Pflichtversicherung Medicproof statt.
Grundlage der Begutachtung ist der Pflegebedürftigkeitsbegriff, der die individuellen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit ins Zentrum stellt.
Der Fragenkatalog (NBA) begutachtet dabei sowohl körperliche als auch psychische oder geistige Beeinträchtigungen der pflegebedürftigen Person.
Je nach Ergebnis erfolgt dann die Einstufung in einen von fünf Pflegegraden (früher Pflegestufe). Voraussetzung hierbei ist: Die Bedürftigkeit muss auf Dauer, also voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen.
Ausführliche Informationen zur Antragstellung sowie über den Ablauf und die Vorbereitung auf die Pflegebegutachtung finden Sie in unserem Ratgeber "Pflegebegutachtung für die Einstufung eines Pflegegrades".
Die Pflegekasse ist verpflichtet, innerhalb von 25 Werktagen nach Eingang des Antrags einen schriftlichen Bescheid zu erteilen (4).
Wird diese Frist überschritten, muss sie dem Antragsteller für jede angefangene Woche der Verzögerung 70 Euro zahlen.
Allerdings gibt es Ausnahmen: Die Zahlung entfällt, wenn es sich um einen Eilantrag handelt, bereits Pflegegrad 2 besteht, der Antragsteller stationär untergebracht ist oder die Verzögerung nicht in der Verantwortung der Pflegekasse liegt.
Das Neue Begutachtungsassessment (NBA) ist das angewandte Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Es bewertet die Selbstständigkeit einer Person in sechs Lebensbereichen, sogenannten Modulen.
Dabei werden körperliche, geistige und psychische Einschränkungen mit Hilfe eines Punktesystems bewertet. Diese sechs Module fließen allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung in die Gesamtbewertung ein:
Die Gesamtbewertung aus diesen Modulen ergibt eine Punktzahl, anhand derer die Pflegekasse den Pflegegrad festlegt. Der Pflegegrad selbst ist entscheidend für den Umfang der Pflegeleistungen.
Wenn Ihre beantragten Pflegeleistungen abgelehnt wurden oder Sie nicht den gewünschten Pflegegrad erhalten haben, können Sie innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids Widerspruch bei der Pflegekasse einlegen.
Dieser muss schriftlich per Post (idealerweise per Einschreiben mit Rückschein) oder per Fax erfolgen – eine Übermittlung per E-Mail ist nicht rechtsgültig.
Nach Eingang des Widerspruchs überprüft die Pflegekasse ihre Entscheidung erneut und beauftragt ein weiteres Gutachten. Dieses kann auf Basis der vorliegenden Unterlagen oder durch einen erneuten Hausbesuch erfolgen.
Halten Sie hierfür alle relevanten medizinischen Unterlagen und persönlichen Dokumentationen bereit.
Sollte die Pflegekasse Ihren Widerspruch anerkennen, erhalten Sie einen positiven Bescheid (Abhilfe). Wird der Widerspruch hingegen erneut abgelehnt, stellt die Pflegekasse einen offiziellen Widerspruchsbescheid aus.
Sollte letzteres der Fall sein, besteht für Sie noch die Möglichkeit eine Klage beim Sozialgericht einzureichen. Hier gelten die selben Frist- und Einsendebedingungen wie beim Widerspruchschreiben an die Pflegekasse.
Abhängig vom Pflegegrad stehen verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung zur Verfügung (5), die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen unterstützen sollen:
Wer leistet nun Hilfe, wenn Unterstützung benötigt wird, aber kein Pflegegrad zugeteilt wurde?
In Fällen, in denen nach einer Operation oder aufgrund einer akuten schwerwiegenden Erkrankung nur eine vorübergehend Pflege (unter 6 Monaten) benötigt wird, hatten Patientinnen und Patienten bis 2024 keinen Anspruch auf gesetzliche Leistungen.
Diese Versorgungslücke wurde durch das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) mit der sogenannten Anschlussversorgung nach einem Krankenhausaufenthalt geschlossen. Seither besteht ein Anspruch auf Kurzzeitpflege, der von der Krankenasse zu vollbringen ist.
Tipp: Führen Sie ein Pflegetagebuch und notieren Sie mindestens eine Woche lang, welche Hilfe die pflegebedürftige Person täglich benötigt. Solche Protokolle helfen nicht nur, die eigene Pflegesituation besser einzuschätzen, sondern geben dem Gutachter auch eine realistische Grundlage, um den Grad der Selbstständigkeit der Person korrekt beurteilen zu können.
Pflegebedürftigkeit stellt eine Herausforderung dar, die mit der richtigen Vorbereitung und Unterstützung bewältigt werden kann. Nutzen Sie die vorhandenen Ressourcen und scheuen Sie sich nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Mit einer guten Planung und Organisation kann die Pflege sowohl für Betroffene als auch für Angehörige spürbar erleichtert werden.
Die wichtigsten Fragen & Antworten zum Thema, die häufig von unseren Nutzern gestellt werden.
Der Antrag auf Pflegeleistungen wird bei der zuständigen Pflegekasse gestellt. Nach der Antragstellung erfolgt eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD) oder MEDICPROOF (bei Privatversicherten), um den Pflegegrad festzulegen.
Pflegebedürftige können je nach Pflegegrad Leistungen wie Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Entlastungsleistungen, Zuschüsse für Wohnraumanpassung oder Verhinderungs- und Kurzzeitpflege erhalten. Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem Pflegegrad.
Pflegende Angehörige können Leistungen wie Pflegegeld, Verhinderungspflege (bei Auszeiten), Pflegekurse oder eine Rentenanrechnung für Pflegezeiten erhalten. Zudem gibt es Angebote wie Tagespflege oder ambulante Pflegedienste zur Entlastung.
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